Die Getriebenen – Merkel und die Flüchtlingspolitik. Report aus dem Innern der Macht by Robin Alexander

Die Getriebenen – Merkel und die Flüchtlingspolitik. Report aus dem Innern der Macht by Robin Alexander

Autor:Robin Alexander [Alexander, Robin]
Die sprache: deu
Format: azw3, epub
Tags: Flüchtlingspolitik, Syrien, Flüchtlinge, Merkel, Sachbuch, Deutschland, Flüchtlingskrise, Deutsche Politik, Politik, Robin, Getriebene, Alexander
Herausgeber: Siedler Verlag
veröffentlicht: 2017-05-14T22:00:00+00:00


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Die drei Rollen des Horst Seehofer

Horst Seehofer schweigt, was selten geschieht, zumal in der Flüchtlingskrise. Aber jetzt, an diesem Tag in der zweiten Dezemberhälfte 2015, ist er verstummt. Der CSU-Chef sitzt im Raum »N 406« im vierten Stock der Bayerischen Staatskanzlei in München. In dem holzvertäfelten Zimmer gehen die Ministerpräsidenten des Freistaats ihren Amtsgeschäften nach. Doch was ihm da gerade nahegelegt wurde, hat seit dem großen Vorgänger Franz Josef Strauß keiner zu denken gewagt. Bei ihm ist Peter Gauweiler. Er hat Seehofer vorgeschlagen, die CSU auf das ganze Bundesgebiet auszudehnen.

Das ist kein bloßes Gedankenspiel. Für die Anschubfinanzierung habe er konkrete Zusagen von namhaften bayerischen Familienunternehmern, sagt Gauweiler. Seehofer weiß, dass sein Gegenüber nicht blufft. Während Deutschlands Großkonzerne laut in die Willkommenskultur eingestimmt haben, halten große Teile des konservativeren Mittelstands die Politik der offenen Grenzen für desaströs.

Das Geld ist also da, ebenso der politische Wille in der CSU. In der bayerischen Landtagsfraktion, dem eigentlichen Machtzentrum der Christsozialen, existiert nach Einschätzung der beiden erfahrenen Politiker zu diesem Zeitpunkt eine breite Anti-Merkel-Mehrheit, die sogar zum Bruch mit der CDU bereit wäre. Die CSU-Landesgruppe im Bundestag hingegen zerfiele wohl in einen Pro-Merkel-Flügel – angeführt von ihrer Vorsitzenden Gerda Hasselfeldt – und einen Anti-Merkel-Flügel, der sich um Verkehrsminister Alexander Dobrindt scharen würde. Aber Berlin ist aus CSU-Sicht zu vernachlässigen.

Seehofer muss jetzt nur nicken, um in der politischen Landschaft der Bundesrepublik Deutschland ein Erdbeben auszulösen. Die Trennung der beiden Unionsschwestern würde das sofortige Ende der Kanzlerschaft Angela Merkels bedeuten. Zwar wird die CSU arithmetisch zur Mehrheitsbildung in der Großen Koalition nicht gebraucht, aber die SPD würde die einmalige Chance nutzen, eine Kanzlerin mit bröckelnder Basis abzuwählen. Es wäre das Ende der CDU als größter und stärkster Partei Deutschlands. Vielleicht aber auch bald das Ende der CSU als natürlicher bayerischer Regierungspartei. Gauweiler ist bereit, dieses Risiko einzugehen, um Angela Merkel zu stoppen. Seit drei Monaten sind Deutschlands Grenzen offen und die Kanzlerin unternimmt nichts, sie wieder zu schließen. Mit Merkel gehe es nicht. Und mit der CDU, die sie nicht stürzen will, auch nicht, argumentiert Gauweiler. Also müsse es die CSU allein versuchen.

Seehofer ist nicht abgeneigt. Er selbst hat ja Merkels Flüchtlingspolitik als Gefahr für das Vaterland gebrandmarkt, schon am 7. September, dem Montag nach der Grenzöffnung, hat er in einer Telefonkonferenz der CSU-Spitze den ungeheuerlichen Satz gesagt: »Die Kanzlerin hat sich meiner Überzeugung nach für eine Vision eines anderen Deutschlands entschieden.« Er hat die Politik der offenen Grenzen so scharf attackiert, wie es einem demokratischen Politiker nur möglich ist – und noch mehr: Er will die Kanzlerin vor dem Bundesverfassungsgericht verklagen und wird in wenigen Wochen von der »Herrschaft des Unrechts« sprechen. Wenn er seine Worte ernst meint, ist dann nicht Widerstand geradezu Pflicht?

Hinter Seehofers Schreibtisch steht eine Büste von Franz Josef Strauß, die der Bildhauer Nikolai Tregor gefertigt hat. Dem CSU-Altmeister steht dort die Entschlossenheit ins Gesicht geschrieben. Doch selbst Strauß wagte nicht, was Seehofer jetzt wagen soll. Vor fast vierzig Jahren hatte die CSU in Kreuth schon einmal die Aufhebung der Fraktionsgemeinschaft mit der CDU im Bundestag beschlossen, weil Strauß den Oppositionsführer Helmut Kohl für zu schwach hielt.



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